Meine Oma, die Uroma meiner beiden Jungs, ist heute 85 Jahre alt. Da es nicht selbstverständlich ist, heute noch eine (Ur)Oma zu haben, wollte ich Euch in einem Interview einen kleinen Einblick in ihre eigene Mami-Zeit geben, die schon so viele Jahre zurück liegt.

Oma, wie bist Du aufgewachsen?

Ich bin auf einem landwirtschaftlichen Hof aufgewachsen, wir hatten Tiere und den Weinbau. Im Alter von 10 Jahren lernte ich melken und mit 14 übernahm ich die Hausarbeit im Haus meines Vaters. Zwei Jahre später lernte ich Opa kennen und mit 19 Jahren zog ich dann zu seiner Familie ins Haus. Dort lebten wir gemeinsam mit den Schwiegereltern. Wir hatten 3 Kühe, Schweine und Hühner. Da meine Schwiegermutter krank war, habe ich mich um den Haushalt, den Garten und die Tiere gekümmert. Tagsüber half ich noch bei der Arbeit in den Weinbergen mit.

Erzähl’ doch bitte von deinen Kindern und wie du die Schwangerschaften erlebt hast.

Unsere erste Tochter, deine Mama, bekam ich mit 20. Die zweite mit 24 und mit 31 unsere dritte Tochter. Dabei gab es keine Auszeiten oder Ruhephasen. Die Arbeit blieb sonst liegen. In den Wehen habe ich noch Wäsche gewaschen und aufgehängt. Das wurde auch so verlangt und hat niemand für mich erledigt. Zu einem Frauenarzt ist man damals nicht gegangen. Hausgeburten waren völlig normal und die Hebamme kam erst, als das Baby schon fast das Köpfchen rausstreckte. Die Älteren in der Familie meinten immer „Kinder kriegen ist das normalste von der Welt“.

Das hört sich nach einer harten Zeit an.

Ja, es war ein schweres Leben, aber es war auch nicht alles schlecht. Es war schön, mit dem Zusammenhalt einer großen Familie zu leben. Ich bin selbst die ersten Jahre in einer Großfamilie mit Urgroßmutter, Großmutter und Mutter in einem Haus aufgewachsen.

Es war also immer jemand für die Kinder da?

Genau. Wenn ich in den Stall oder ins Feld ging, nahm ich die Kinder entweder mit oder die Schwiegereltern haben sich zu Hause um sie gekümmert. Bei uns wurde immer viel Vorgelesen und die Kinder spielten hauptsächlich zu Hause oder mit den Nachbarskindern. Mit 3 Jahren sind die Kleinen dann in den Kindergarten gekommen.

Hattet ihr so was wie Freizeit oder Urlaub?

Nein, so etwas gab es für uns Erwachsene nicht, so wie ihr es heute kennt. Sonntags gingen wir mit der ganze Familie zum Wandern in den Wald. Das war immer ein besonderer Tag.

Wie habt ihr euch versorgt? Ihr konntet ja nicht einfach mal schnell in den Supermarkt fahren.

Wir waren Selbstversorger. Alles was wir zum Essen hatten, wurde selbst angebaut oder erzeugt. Gekauft wurde nichts. Gemüse und Obst hatten wir im Garten und dein Opa hat regelmäßig geschlachtet. Was nicht haltbar gemacht oder gegessen wurde, haben wir verkauft. Kleider für die Kinder wurde zu einem Großteil selbst gestrickt und genäht. Das habe ich dann meist am Abend gemacht, nachdem der Haushalt und die Tiere versorgt waren und die Kinder schliefen.
Einmal in der Woche machte ich Brotteig, der beim Dorfbäcker gebacken wurde. Montag war Waschtag. Ich habe Wäsche für vier Erwachsene und zwei Kinder von Hand gewaschen. Erst mit dem dritten Kind bekamen wir eine Waschmaschine. Das war in den 1960ern.

Was kannst Du mir und anderen Eltern noch mit auf den Weg geben?

Ich finde es schade, dass heute kaum noch in Großfamilien gelebt wird. Außerdem ist mir die fehlende Wertschätzung von Dingen fremd. Wenn heute etwas kaputt ist, wird es einfach neu gekauft. Den Müttern möchte ich sagen, dass ich es unglaublich schön finde, dass sie heute mehr Zeit für Ihre Kinder haben. Wir mussten immer viel arbeiten und hatten wenig Zeit für die Kleinen. Die Mütter heute können das Mama-Sein genießen. Das ist nicht selbstverständlich.

Danke Oma! ❤️

Foto: Miriam Schläger